Mittwoch, 15. Oktober 2014

Crazy Taiwan (2)

Taiwan ist anders, keine Frage! Das Thema hatte ich ja vor einiger Zeit schon ausgiebig erörtert. Man sollte also meinen, dass mich hier nichts mehr schocken oder überraschen könnte. Falsch gedacht. In Wahrheit bin ich immer wieder aufs Neue verwundert über Dinge, die Taiwan so sehr von meiner Heimat unterscheiden.
Fangen wir mit den Lebenshaltungskosten an. Eigentlich sind die vergleichsweise gering, nur in Taipeh ist alles "teuer". Zumindest nach taiwanesischen Verhältnissen, denn für eine komplette Mahlzeit bezahlt man (großzügig gerechnet) gerade mal zwischen 1 und 2,50€. Wenn man nicht gerade in ein Spitzenklasseluxusrestaurant geht. Auch Kleidung ist auf dem Nachtmarkt, und teilweise in Geschäften, relativ günstig, je nach dem wo man schaut. Insgesamt beläuft sich der Gesamtbetrag meiner täglichen Ausgaben auf rund 5€. Außer ich mache den großen Fehler, im Supermarkt einkaufen zu gehen. Äpfel sind besonders gefährlich. Oder Nutella und jegliche Art von nicht-asiatischen Süßigkeiten. Wie man auf den nebenstehenden Fotos unschwer erkennen kann, handelt es sich um ein normalgroßes Nutella-Glas und einen völlig gewöhnlichen Apfel. Für ersteres hätte ich umgerechnet fast 6€ bezahlen müssen; und nein, es ist NICHT das 1KG-Jumbo-Glas (ich will gar nicht wissen, wie viel das gekostet hätte...). Den Apfel hingegen habe ich tatsächlich gekauft. Für stolze 40 TW$, was in etwa 1€ entspricht. Weil ich nämlich unfähig war aus dem Gewirr von Schildern und Preisen den Kilopreis abzusehen. Vielleicht gibt's sowas auch gar nicht. Auf dem Markt geht es jedenfalls nach Stückpreis soweit ich weiß. Der liegt im Schnitt bei 5 Äpfel für 2,50€.
Auch Müsli, Cornflakes und andere Vollkorn-Frühstücks-Produkte sind ziemlich teuer. 
Ich könnte jetzt weiter machen, aber halten wir fest: Demnächst lieber einmal mehr fragen anstatt einfach blind zu kaufen; beziehungsweise werde ich westliche Produkte künftig endgültig von meiner Speisekarte streichen müssen. Oder ich lache mir einen reichen Taiwanesen an, der mir Apfelmüsli kauft...

Kommen wir nun von Supermärkten zum Straßenverkehr. Der wird zu Stoßzeiten zwar vorbildlich von Polizisten mit Warnweste, Trillerpfeife und Signallampe kontrolliert. Aber im Großen und Ganzen muss man echt vorsichtig sein, dass man nicht von Motorrädern überfahren wird oder aus dem Bus fällt. Kein Scherz, das ist ernst gemeint! Ich bin letztens mit meinem Tandempartner zu IKEA gefahren, wo es, ganz nebenbei bemerkt, sooo spannend nu auch wieder nicht war, weil das Sortiment im Grunde ein- und dasselbe ist wie in Deutschland und überall anders auf der Welt. Jedenfalls sind wir mit dem Bus hingefahren und das ist hier echt eine Kunst für sich. Erstmal muss man sich durch den Wust aus Buslinien wühlen, was zum Glück Bo-jun für mich übernommen hatte. Dann muss man den entsprechenden Bus heranwinken, weil er sonst einfach weiterfährt. Bezahlt wir entweder beim Ein- oder Aussteigen, je nach dem was vorne beim Fahrer gerade angezeigt wird. Und jede fahrt kostet nur 12 TW$. Im Vergleich zur Metro ist das echt günstig und ich möchte daher auch eigentlich lernen, allein Bus zu fahren. Wenn ich recht überlege, ziehe ich andererseits Metrofahren eindeutig vor. Weil die Busfahrer sich nicht nur mit rasanter Geschwindigkeit und knappen Manövern durch die vollgestopften Straßen Taipehs schlängeln. Sondern vor Allem, weil sie kurz vor der Bushaltestelle in voller Fahrt einfach schon mal die Tür aufmachen. Damit man schneller aussteigen kann. Oder wahlweise einfach aus dem Bus fällt? Ganz ungefährlich ist das jedenfalls nicht. Und Sitzenbleiben bis der Bus steht ist auch leichter gesagt als getan, weil es dann nämlich unter Umständen passieren kann, dass der Bus einfach weiterfährt, weil man nicht schnell genug ausgestiegen ist. 
Wenn man nun zu Fuß unterwegs ist, sollte man stets ein wachsames Auge auf den Straßenverkehr haben. Zwar genießt man in Taipeh die Vorzüge von Bürgersteigen und zahlreichen Fußgängerampeln, die in der Regel in Verbindung mit einem Zebrastreifen zu finden sind. Allerdings sind Taiwanesen in puncto "Rücksicht auf Fußgänger" nicht ganz so bewandert. Oder haben schlichtweg ein anderes Verständnis davon. Wer nicht dreist drauflos fährt (oder geht), hat verloren. Selbst wenn man sich gerade als Fußgänger auf einem Zebrastreifen befindet, den man bei grüner Ampel überqueren möchte. In solchen Fällen kommen die verkehrsregulierenden Polizisten gerade recht, da sie rücksichtslose Autofahrer gnadenlos aufhalten (durch wildes Winken teilweise, indem sie mit ihrer Signallampe auf die Motorhaube klopfen!). Bei Gelegenheit werde ich das Durcheinander gern einmal fotographisch für euch festhalten. Leider hatte ich bislang zwar genug Gelegenheiten, war aber immer zu sehr um meine eigene Sicherheit besorgt als dass ich ein schönes Foto hätte schießen können.

Ein letzter eigenartiger Punkt, den ich heute noch mit euch teilen möchte, ist das Müllauto! Ich würde sogar behaupten, in Deutschland gibt es etwas Vergleichbares. Nämlich den Tüdelühmann - besser bekannt als Schrottsammler, der mit Musik durch die Straßen gondelt und Altmetall einsammelt und den schon jedes Kind kennt.
Die Parallele zur taiwanesischen Müllabfuhr besteht nun hauptsächlich darin, dass auch sie Musik spielt. Mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass hier tatsächlich Müll eingesammelt wird. Sobald "Für Elise" oder ein anderes bekanntes klassisches Musikstücke ertönt wissen die Menschen, dass das Müllauto naht. Sie stehen dann mit ihren Müllsäcken am Straßenrand und warten geduldig darauf, diese der Müllabfuhr überlassen zu können. Leider kann man es auf dem Foto nicht so gut erkennen, aber das gelbe Auto im Hintergrund, das den ganzen Verkehr aufhält, ist das Müllauto. Das weiße im linken Bildrand ist ein Altmetallsammler.

Oh, jetzt hätte ich fast das Lustigste vergessen! Ich hatte ja bereits angedeutet, dass es allmählich kühler wird. Der Winter naht und man kleidet sich auch entsprechend. Jedenfalls tun das die Taiwanesen, denen bei rund 20°C offenbar tatsächlich so frisch wird, sodass sie langärmlige Kleidung, Jacken und lange Hosen tragen. Ich selbst empfinde derartige Temperaturen durchaus noch als frühlingshaft, besonders weil es ja nur morgens wirklich "kalt" ist. Im Laufe des Tages steigen die Temperaturen, aber es wird nicht mehr unerträglich heiß, ein leichter Wind weht und die Sonne scheint angenehm warm auf die Haut. Allerdings kommt es mir so vor, als würde nur ich das so sehen. Denn die Mehrheit mustert mich mit entgeisterten Blicken als käme ich von einem anderen Stern, wenn ich in kurzer Hose und T-Shirt vorbeilaufe...



 






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