Montag, 24. November 2014

Jilong und Caoling-Trail

Am vergangenen Wochenende kam endlich einmal wieder etwas Abwechslung in meinen sonst so grauen Studentenalltag!
Zusammen mit meiner finnischen Kommilitonin Alli war für Samstag zunächst ein Tagesausflug in die nahegelegene Hafenstadt 基隆 Jilong geplant. Um Punkt neun Uhr morgens ging es los! Via Metro und Bus dauerte kaum eine Stunde bis wir unser Ziel erreicht hatten und es war außerdem mit knapp 50 TWD pro Strecke eine wirklich preisgünstige Fahrt. 
Am Hauptbahnhof in Jilong angekommen haben wir erst einmal das Touristeninformationszentrum gesucht, um uns dort mit einem Stadtplan einzudecken und Informationen über Attraktionen und Besonderheiten der Stadt einzuholen. Die junge Dame im Zentrum hat zwar Chinesisch mit uns gesprochen, doch sie war sehr freundlich, hilfsbereit und kompetent. Erstaunlicherweise haben wir trotz ihrer enormen Sprechgeschwindigkeit auch fast jedes Wort verstanden, sodass unsere weitere Tagesplanung schnell feststand. Mit dem Stadtbus ging es zunächst Richtung Heping Island. Da wir lediglich wussten, mit welcher Linie wir fahren, nicht jedoch wo wir aussteigen mussten, haben wir uns geschickt an eine taiwanesische Reisegruppe gehalten, die zufälligerweise dasselbe Ziel hatte. Die Insel bot einerseits einen traumhaften Blick auf das Meer und den Hafen von Jilong. Andererseits gab es eine kleine Parkanlage mit Rundweg, von wo aus man Turtle Island ansehen konnte sowie die für die Region typischen, pilzförmig ausgewaschenen Sandsteingebilde - davon gibt es noch mehr im Yehliu Geopark, der definitiv noch auf meiner imaginären To-Do Liste steht, weil alle anderen immer so begeistert davon erzählen.
Nach einer kurzen Entspannungspause am Meer haben wir uns wieder auf den Weg zurück zur Bushaltestelle gemacht. Diesmal hatten wir wirklich keine Ahnung, wo wir aussteigen müssen und die mit taiwanesischem Dialekt auf uns einquasselnde Omi hat uns dabei leider auch nicht viel weiter geholfen. So stiegen wir also in den nächstbesten Bus und befragten den Busfahrer - was im Notfall immer eine Option ist. So kamen wir letztendlich doch dorthin, wo wir wollten. Nämlich zum Nationalmuseum für Meereskunde und -technologie, das am anderen Ende der Stadt liegt.
Für rund drei Euro Eintritt konnten wir auf vier Etagen verschiedenen Ausstellungen besuchen. Diese waren zwar recht wissenschaftlich, aber sämtliche Inhalte wurden auf plastische und kreative Art und Weise vermittelt und zwischendurch es gab immer wieder interaktive Darstellungsformen damit auch Kinder (oder wahlweise kindgebliebene Austauschstudentinnen) Gefallen am Museum finden konnten. Ich persönlich würde das Museum auch weiterempfehlen, weil es dort wirklich allerlei interessante Dinge zu entdecken gibt und von Tiefseeforschung über Schifffahrt und meeresbiologische Technologien eine große Bandbreite von Themen angesprochen wird.
Da Bildung ja bekanntlich hungrig macht, sind wir vor unserer Rückkehr nach Taipeh noch auf den 廟口夜市 Miaokou Nachtmarkt gegangen. Dieser ist aufgrund der Küstennähe natürlich von Meeresfrüchten und Fisch geprägt, aber nebst diversen Süßspeisen findet man dort auch "Gewöhnliches" Essen; die Auswahl ist riesig! 
Mit vollem Bauch und einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen sind wir nach diesem wunderbaren Tag schließlich wieder in den Bus nach Taipeh gestiegen, mit dem wir diesmal durch Zufall sogar bis zur Bushaltestelle vor der Universität fahren konnten!

Am Sonntagmorgen hieß es dann noch etwas früher aufstehen als am Tag zuvor, denn um acht Uhr sollten wir uns mit anderen Austauschstudenten und zwei Taiwanesen (die alles organisiert hatten) am Haupteingang der Universität treffen. In einer gut zwanzigköpfigen Gruppe stürmten wir zunächst die Metro, dann den Fahrkartenschalter am Hauptbahnhof und schließlich den Zug nach 福隆 Fulong. Dort angekommen haben wir uns mehr oder weniger in Kleingruppen aufgeteilt; während einige noch im 7-Eleven ein bisschen Wegzehrung einkauften oder Sonnencreme auftrugen, um sich gegen die für Ende November ungewöhnlich starke Sonne zu schützen - es waren schlappe 29°C und kristallklarer Himmel!!! - hatten sich andere bereits auf den Weg zum Trail gemacht. Über einen größtenteils geteerten Zubringer erreichten wir nach 3,5km den eigentlichen Wanderweg, den 草嶺古道 (Caoling Old Trail). 
Dieser war dann zum Glück nicht mehr geteert und bestand auch nicht ausschließlich aus Stufen, wie ich nach meinen ersten Wandererfahrungen im Taroko-Nationalpark zunächst befürchtet hatte. Merkwürdige Hinweis- und Warnschilder gab es allerdings wieder genug.
Der insgesamt 8,5km lange Weg teils durch Wald und teils durch freies Feld und es ging stetig bergan. Besonders der letzte Teil der Strecke war landschaftlich sehr schön, weil wir durch von Schilfgras überzogene Hügel gewandert sind, nur um an einem Aussichtspunkt anzukommen, von dem aus man das Meer und die umliegenden Berge überblicken konnte. Nach rund drei Stunden machten wir uns auch schon an den Abstieg, der wiederum sehr gut ausgebaut und daher schnell zu bewältigen war. Außerdem konnten sich die Menschenmassen hier definitv besser verteilen als auf dem teilweise recht engen Wanderpfad. Vielleicht hätten wir uns einfach nicht für einen Sonntag zum Wandern entschließen sollen, denn an manchen Stellen war der Weg wirklich schmal, sodass nur drei oder vier Personen nebeneinanderherlaufen konnten. Fügt man nun noch die Tatsache hinzu, dass es an diesen Engstellen mehr oder weniger steil bergauf ging, dann wird das daraus resultierende Problem schnell offensichtlich: Ein menschlicher Stau, der sich oftmals nur im Schneckentempo voranbewegte, wenn überhaupt! Ein wirklich einmaliger Anblick und eigentlich wahnsinnig lustig, wenn man bedenkt, dass der inoffizielle taiwanesische Nationalsport ja sowieso das Schlangestehen zu sein scheint. Andererseits war es nicht ganz so lustig, selbst mitten im Stau zu stehen, im wahrsten Sinne des Wortes.
Und es sollte auch nur ein kleiner Vorgeschmack auf das werden, was uns im Zug zurück nach Taipeh erwartete. Noch mehr Menschen! Diesmal auf engstem Raum in ein Zugabteil gequetscht, wie Sardinen in der Dose, mit einer Luftfeuchtigkeit annäherungsweise 100% und diversen sich überlagernden Aromen menschlicher Ausdünstungen. Einfach herrlich!
 
Glücklicherweise mussten wir diesen Extremfall nur eine Haltestelle weit ertragen, danach wurde es wieder etwas leerer und angenehmer. Auch die Wanderung an sich war trotz des gelegentlichen Staus sehr lohnenswert und hat viel Spaß gemacht, insbesondere weil wir so viel Glück mit dem Wetter hatten und die Landschaft einfach wunderschön war!
Bei Interesse hätte ich hier einen Link anzubieten, der alle nötigen Informationen zu Anreise, geographischer Lage und Wegbeschaffenheit enthält: http://www.necoast-nsa.gov.tw/user/Article.aspx?Lang=2&SNo=04000486
















Montag, 10. November 2014

Beitou Hot Springs

Man mag es kaum glauben, aber mit Beginn des Novembers scheint auch hier allmählich der Winter hereinzubrechen. Jedenfalls ist es längst nicht mehr so heiß und unerträglich feucht wie es noch vor rund zwei Wochen war; auch die Sonne zeigt sich nur noch gelegentlich. Der wolkenverhangene und stahlgraue Himmel erinnert mich sogar ein bisschen an das Wetter in Deutschland, mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass es denn hier doch nicht ganz so kalt ist. In langer Hose und T-Shirt lässt es sich derzeit noch sehr gut aushalten. Außerdem sind die deutlich kühleren Temperaturen der perfekte Anlass, um einen entspannten Nachmittag bei den Heißen Quellen zu verbringen!
Eine gut fünfundvierzigminütige Fahrt mit der Metro liegt zwischen unserem Wohnheim und der Haltestelle Beitou im nördlichen Teil von Taipeh. Dorthin hat es mich und meine finnische Freundin Alli am Sonntagnachmittag verschlagen, weil wir beide uns eine wohlverdiente Auszeit von Stress und Uni-Alltag gönnen wollten. 
Die Heißen Quellen sind nur knapp zehn Gehminuten von der MRT-Haltestelle entfernt und ganz einfach zu finden. Auch den Eintrittspreis von 50 NTD würde ich mehr als "human" beschreiben, als Studenten der NTU haben wir sogar nur 20 NTD bezahlt. 


Zugegeben, die Anlage war jetzt mit sechs Becken nicht riesengroß, aber ein Besuch lohnt sich definitiv! In vier Abstufungen von 35 bis 47°C  fängt man im untersten Pool an und arbeitet sich dann vorsichtig hoch; zwei untemperierte Becken dienen der Abkühlung zwischen den einzelnen Stufen. 
Man sollte sich auf jeden Fall vor jedem Bad zunächst die Füße mit etwas Wasser begießen, um den Körper vorsichtig an die Hitze zu gewöhnen. Danach sollte man sich auch relativ zügig komplett in das Becken begeben, weil sonst das Herz zu sehr beansprucht werden könnte. Außerdem gab es wieder überall Warnschilder und übereifrige Taiwanesen, die förmlich darauf warten, den unkundigen Ausländer eines Besseren zu belehren. Auch im Hinblick auf meine in weiser Voraussicht ordentlich zu einem Zopf geflochtenen Haare, deren Spitzen keinesfalls im Wasser hängen durften! 
Ich fasse kurz zusammen: Leider hatten wir nur knapp 45 Minuten Zeit, weil es offenbar zu bestimmten Zeiten einen Schichtwechsel gibt, den man beachten sollte, wenn man einen längeren Aufenthalt in den Heißen Quellen plant. Allerdings war das Baden unheimlich entspannend und ich wäre gern noch länger geblieben! Das heißeste Becken war uns übrigens ein bisschen zu warm und wir haben es bei der mittleren Stufe belassen. Auch bin ich nicht sicher, was genau man dem Wasser zusetzt. Schlau wie ich bin habe ich mir nämlich mit der nassen Hand über Nase und Mund gewischt und mir DANN über die Lippen geleckt ... salzig war es nicht und Alli meinte, es sei vermutlich Schwefel. Aber ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung und will hier auch kein falsches Halbwissen verbreiten.
Was ich mit Sicherheit sagen kann ist, dass man auf jeden Fall auf seinen Kreislauf Acht geben sollte. Ähnlich wie in der Sauna sind auch die Heißen Quellen nicht unbedingt die leichteste Übung für unser Herz-Kreislauf-System - mir jedenfalls ist zwischendurch ein wenig schwummrig geworden und ich musste mich erst einmal wieder aklimatisieren.
Ach ja! Und überfüllt war es auch nicht, obwohl Sonntag war und ich das eigentlich ein bisschen erwartet hätte. Sehr angenehm also und der perfekte Ausgleich zum ansonsten recht hektischen Leben in Taipeh.



Um einen perfekten Tag ausklingen zu lassen, sind wir abends noch auf einen Nachtmarkt gegangen, der nicht nur auf unserem Rückweg lag sondern zur Abwechslung mal nicht von Touristen überlaufen war. Neben dem üblichen Nahrungs- und Getränkeangebot gab es auch sehr günstige Kleidung und Schuhe zu kaufen; Widerstand zwecklos ...




Donnerstag, 6. November 2014

Studentenleben (2/3)

Im Moment vergeht die Zeit wieder wie im Flug, sodass ich kaum Zeit zum Bloggen finde. Allerdings gibt es auch nur wenig Neues und Spektakuläres zu berichten, da ich tatsächlich die meiste Zeit über mit Unikram und lernen beschäftigt bin. Die Mid-Terms (also die Semester-Zwischenprüfungen) stehen vor der Tür und ich bin zugegebenermaßen froh darüber, dass ich nur eine einzige solche Prüfung in Chinesisch habe. Für meine anderen Fächern muss ich diverse Referate, kleine Hausaufgaben und Präsentationen vorbereiten, sodass ich im Grunde auch ohne Mid-Terms mehr als genug zu tun habe.
Dennoch finde ich gelegentlich die Zeit für etwas "Schönes". So beispielsweise am vergangenen Donnerstag. In der Nähe meines Wohnheims hatten einige einheimische Studenten der NTU für uns International Students einen Kulturabend organisiert. Dort habe ich zum Beispiel gelernt wie man Chinesisches Schach spielt.

Anfangs fiel es mir schwer, mir die neuen Spielregeln zu merken und die mit chinesischen Zeichen beschrifteten Spielsteine voneinander zu unterscheiden. Aber da 象棋 (XiangQi), wie es auf Chinesisch heißt, sehr viel weniger kompliziert als unsere westliche Version des Schachspiels ist, hatte ich den Dreh schnell heraus. Von meinem Tandempartner habe ich im Nachhinein erfahren, dass wir an jenem Abend vermutlich eine vereinfachte Spielart beigebracht bekommen hatten. Denn in der ihm bekannten Version kann man wesentlich speziellere Züge mit den einzelnen Figuren machen, was das Spiel ein wenig komplexer werden lässt. Spaß hatte ich trotzdem!
Außerdem haben wir an diesem kulturellen Abend noch Kalligraphie-Unterricht bekommen. Es war eigentlich mehr eine Vorführung dessen, wie man es eigentlich machen sollte, also wie man den Pinsel richtig hält und wie es aussehen kann, wenn man jahrelange Übung in Kalligraphie hat. Für mehr haben leider Platz und Zeit nicht ausgereicht, aber für einen kurzen Einblick hat es allemal genügt. Vor allem habe ich gelernt, dass Kalligraphie tausendmal schwieriger ist als ich bisher geglaubt hatte, was meine Bewunderung für diese Kunst und ihre Meister um einiges hat ansteigen lassen. Meine eigenen kläglichen Versuche möchte ich hier lieber nicht zeigen. Stattdessen ein Foto von meinem persönlichen Andenken an den Abend:
Ein Bogen roten Papiers, auf das man normalerweise "Glück", "Reichtum" oder dergleichen schreibt - zur Feier des Tages durften wir uns aussuchen, was die Kalligraphie-Meister auf unsere Zettel schreiben sollten. Und falls ihr euch fragt, was wohl mysteriöses da stehen mag: Es ist lediglich mein Name auf Chinesisch.

Abgesehen von diesem bunten und lustigem Abend habe ich mich auch ein bisschen kulturgeschichtlich weitergebildet. Zusammen mit einer finnischen Freundin war ich letzten Dienstag im 國家故宮博物館, dem Nationalpalast-Museum der Republik China in Taipeh. 
Dort werden in einer der weltweit größten Austellungen zahllose Kunstwerke und Artefakte gezeit, die über Dynastien hinweg von den Herrschern des Chinesischen Kaiserreiches angesammelt worden waren; darunter wertvolle Gemälde, diverse kunsthandwerkliche Gegenstände und Gefäße, antike Möbelstücke, Bücher und Kalligraphien, Schmuck und noch vieles mehr. 
Dieses kulturelle Erbe Chinas befand sich einst in der Schatzkammer des kaiserlichen Palastes in der Verbotenen Stadt in Peking und wurde einige Jahre nach dem Sturz der Ming-Dynastie und Gründung der Republik China (1911) erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Nach Ende des chinesischen Bürgerkrieges 1949 gelangten die Kunstschätze nach Taiwan, wo sie heute (noch nahezu vollständig erhalten) im Nationalpalast-Museum in einer ständig wechselnden Ausstellung zu sehen sind.
Leider herrscht im gesamten Museum ein strenges Fotografierverbot, aber ich kann versichern, dass sich ein Besuch definitiv gelohnt hat; zumal uns (einheimischen) Studenten wieder einmal kostenloser Eintritt gewährt wurde! Ich kann nicht sagen, welcher Teil der Ausstellung oder welches Handwerksstück mich am meisten beeindruckt hat. Sowohl die antiken Gefäße und Waffen aus uralten Zeiten als auch die filigran bemalten Vasen und Parfümfläschchen und nicht zuletzt die Gemälde und Edelsteine haben alle etwas für sich. Außerdem hatte ich die einmalige Gelegenheit, das wertvollste und berühmteste Stück der gesamten Ausstellung mit eigenen Augen zu sehen. Er ist der ganze Stolz des Museums und die Besucher stehen regelmäßig Schlange, um ihn einmal zu Gesicht zu bekommen: Der Chinakohl! 
Nein, das ist kein Scherz, das ist mein voller Ernst. Es ist tatsächlich ein Kohlkopf. Aus Jade wohlgemerkt, mit kleinen Verzierungen und unglaublich wertvoll. Aber dennoch ist es ein Kohl. Vergleichbar mit der Mona Lisa im Louvre: Alle schwärmen wortreich und begeistert davon und am Ende ist man leicht bis mittelschwer enttäuscht von der Wirklichkeit... Mein persönliches Highlight war er jedenfalls nicht, der Chinakohl. Er hat vielmehr zur allgemeinen Erheiterung von Alli und mir beigetragen; insbesondere nachdem wir das zweitwichtigste und nicht minder berühmte Stück der Ausstellung bewundert hatten: Ein Stein, der einem Stück Fleisch ähnelt.
Für diejenigen, die nun doch etwas neugierig geworden sind, was an Fleisch und Kohl wohl so reizvoll sein mag, dass es gleich zum Nationalheiligtum erklärt wird, hier ein Link zu einem Bild mit den beiden "Kunstwerken": https://www.flickr.com/photos/textlad/5193298207/