Donnerstag, 6. November 2014

Studentenleben (2/3)

Im Moment vergeht die Zeit wieder wie im Flug, sodass ich kaum Zeit zum Bloggen finde. Allerdings gibt es auch nur wenig Neues und Spektakuläres zu berichten, da ich tatsächlich die meiste Zeit über mit Unikram und lernen beschäftigt bin. Die Mid-Terms (also die Semester-Zwischenprüfungen) stehen vor der Tür und ich bin zugegebenermaßen froh darüber, dass ich nur eine einzige solche Prüfung in Chinesisch habe. Für meine anderen Fächern muss ich diverse Referate, kleine Hausaufgaben und Präsentationen vorbereiten, sodass ich im Grunde auch ohne Mid-Terms mehr als genug zu tun habe.
Dennoch finde ich gelegentlich die Zeit für etwas "Schönes". So beispielsweise am vergangenen Donnerstag. In der Nähe meines Wohnheims hatten einige einheimische Studenten der NTU für uns International Students einen Kulturabend organisiert. Dort habe ich zum Beispiel gelernt wie man Chinesisches Schach spielt.

Anfangs fiel es mir schwer, mir die neuen Spielregeln zu merken und die mit chinesischen Zeichen beschrifteten Spielsteine voneinander zu unterscheiden. Aber da 象棋 (XiangQi), wie es auf Chinesisch heißt, sehr viel weniger kompliziert als unsere westliche Version des Schachspiels ist, hatte ich den Dreh schnell heraus. Von meinem Tandempartner habe ich im Nachhinein erfahren, dass wir an jenem Abend vermutlich eine vereinfachte Spielart beigebracht bekommen hatten. Denn in der ihm bekannten Version kann man wesentlich speziellere Züge mit den einzelnen Figuren machen, was das Spiel ein wenig komplexer werden lässt. Spaß hatte ich trotzdem!
Außerdem haben wir an diesem kulturellen Abend noch Kalligraphie-Unterricht bekommen. Es war eigentlich mehr eine Vorführung dessen, wie man es eigentlich machen sollte, also wie man den Pinsel richtig hält und wie es aussehen kann, wenn man jahrelange Übung in Kalligraphie hat. Für mehr haben leider Platz und Zeit nicht ausgereicht, aber für einen kurzen Einblick hat es allemal genügt. Vor allem habe ich gelernt, dass Kalligraphie tausendmal schwieriger ist als ich bisher geglaubt hatte, was meine Bewunderung für diese Kunst und ihre Meister um einiges hat ansteigen lassen. Meine eigenen kläglichen Versuche möchte ich hier lieber nicht zeigen. Stattdessen ein Foto von meinem persönlichen Andenken an den Abend:
Ein Bogen roten Papiers, auf das man normalerweise "Glück", "Reichtum" oder dergleichen schreibt - zur Feier des Tages durften wir uns aussuchen, was die Kalligraphie-Meister auf unsere Zettel schreiben sollten. Und falls ihr euch fragt, was wohl mysteriöses da stehen mag: Es ist lediglich mein Name auf Chinesisch.

Abgesehen von diesem bunten und lustigem Abend habe ich mich auch ein bisschen kulturgeschichtlich weitergebildet. Zusammen mit einer finnischen Freundin war ich letzten Dienstag im 國家故宮博物館, dem Nationalpalast-Museum der Republik China in Taipeh. 
Dort werden in einer der weltweit größten Austellungen zahllose Kunstwerke und Artefakte gezeit, die über Dynastien hinweg von den Herrschern des Chinesischen Kaiserreiches angesammelt worden waren; darunter wertvolle Gemälde, diverse kunsthandwerkliche Gegenstände und Gefäße, antike Möbelstücke, Bücher und Kalligraphien, Schmuck und noch vieles mehr. 
Dieses kulturelle Erbe Chinas befand sich einst in der Schatzkammer des kaiserlichen Palastes in der Verbotenen Stadt in Peking und wurde einige Jahre nach dem Sturz der Ming-Dynastie und Gründung der Republik China (1911) erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Nach Ende des chinesischen Bürgerkrieges 1949 gelangten die Kunstschätze nach Taiwan, wo sie heute (noch nahezu vollständig erhalten) im Nationalpalast-Museum in einer ständig wechselnden Ausstellung zu sehen sind.
Leider herrscht im gesamten Museum ein strenges Fotografierverbot, aber ich kann versichern, dass sich ein Besuch definitiv gelohnt hat; zumal uns (einheimischen) Studenten wieder einmal kostenloser Eintritt gewährt wurde! Ich kann nicht sagen, welcher Teil der Ausstellung oder welches Handwerksstück mich am meisten beeindruckt hat. Sowohl die antiken Gefäße und Waffen aus uralten Zeiten als auch die filigran bemalten Vasen und Parfümfläschchen und nicht zuletzt die Gemälde und Edelsteine haben alle etwas für sich. Außerdem hatte ich die einmalige Gelegenheit, das wertvollste und berühmteste Stück der gesamten Ausstellung mit eigenen Augen zu sehen. Er ist der ganze Stolz des Museums und die Besucher stehen regelmäßig Schlange, um ihn einmal zu Gesicht zu bekommen: Der Chinakohl! 
Nein, das ist kein Scherz, das ist mein voller Ernst. Es ist tatsächlich ein Kohlkopf. Aus Jade wohlgemerkt, mit kleinen Verzierungen und unglaublich wertvoll. Aber dennoch ist es ein Kohl. Vergleichbar mit der Mona Lisa im Louvre: Alle schwärmen wortreich und begeistert davon und am Ende ist man leicht bis mittelschwer enttäuscht von der Wirklichkeit... Mein persönliches Highlight war er jedenfalls nicht, der Chinakohl. Er hat vielmehr zur allgemeinen Erheiterung von Alli und mir beigetragen; insbesondere nachdem wir das zweitwichtigste und nicht minder berühmte Stück der Ausstellung bewundert hatten: Ein Stein, der einem Stück Fleisch ähnelt.
Für diejenigen, die nun doch etwas neugierig geworden sind, was an Fleisch und Kohl wohl so reizvoll sein mag, dass es gleich zum Nationalheiligtum erklärt wird, hier ein Link zu einem Bild mit den beiden "Kunstwerken": https://www.flickr.com/photos/textlad/5193298207/









 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen