Sonntag, 21. Dezember 2014

Advent in Wulai

Der Dezember ist schon wieder mehr als zur Hälfte vorüber und Weihnachten rückt mit jedem Tag ein bisschen näher. Im Normalfall würde ich jetzt - ebenso wie alle anderen Deutschen - an der alljährlichen, kollektiven Last-Minute-Geschenk-Suche teilnehmen und panisch von Geschäft zu Geschäft hetzen, um allerletzte Besorgungen zu machen. Außerdem hätte ich tonnenweise Weihnachtsplätzchen gebacken und gefuttert, wäre auf diversen Weihnachtsmärkten zum Glühweintrinken gewesen und hätte heute, am vierten Advent, zusammen mit meiner Familie traditionell den Christbaum geschmückt.
Aaaaaber, ich befinde mich derzeit ja in Taiwan, wo ich bei gemütlichen 15° von Schnee nur träumen kann und wo mich der Anblick von frierenden Taiwanesen, dick eingemummelt in ihre Dauenjacken mit Wollmützen auf dem Kopf und Fellstiefeln an den Füßen, jedes Mal aufs Neue leicht belustigt. Aber von Weihnachtsstimmung kann nicht wirklich die Rede sein. Zwar sind Straßen und Geschäfte mit Rentieren und Weihnachtsmännern dekoriert, Starbucks beschallt seine Gäste fleißig mit festlich-besinnlicher Musik und vielerorts gibt es Sonderangebote. Außerdem haben wir letzte Woche eine spontane Plätzchenbackaktion veranstaltet: Alli und ich haben nämlich die Wohnheimsküche gestürmt, den Minibackofen belagert und mindestens zwei Stunden damit zugebracht Spritzgebäck zu produzieren. Sehr zur Begeisterung der anderen Wohnheimsbewohner, weil wir den kompletten Eingangsbereich mit Plätzchenduft gefüllt haben :D
Abgesehen davon ist von Weihnachten wie gesagt eher wenig zu spüren, für mich persönlich jedenfalls. Mein studentisches Leben geht seinen gewohnten Alltag, ich habe viele Hausaufgaben und Ferien gibt es auch nicht. Stattdessen werde ich bald anfangen müssen, mich auf die Abschlussprüfungen vorzubereiten, da das Semester in knapp vier Wochen schon zuende sein wird. 
Allzu spannend waren also die vergangenen paar Wochen nicht. Daher habe ich auch länger nicht gebloggt, weil es einfach nichts zu berichten gab. Gestern allerdings habe ich mit einigen Freundinnen einen Tagesausflug unternommen, der es definitiv wert ist, hier erwähnt zu werden!
 
Die Reise führte uns ins nahegelegene Wulai 烏來, das mit dem Bus von Taipeh aus in nur 60 Minuten erreicht werden kann. Der malerische kleine Ort ist im Sommer für gewöhnlich mit Touristen überfüllt, doch auch im Winter kommen nicht wenige Menschen dorthin. Der Grund: Heiße Quellen! Auch für uns war dies der Hauptgrund, warum wir nach Wulai fahren wollten. Da wir uns mit 8.30 Uhr vergleichswese früh auf den Weg gemacht hatten, sind wir dem Haupttouristenstrom geschickt entkommen. Nachdem wir in aller Ruhe gefrühstückt hatten, haben wir zunächst ein bisschen die Gegend erkundet. Einige Gehminuten entfernt gab es einen Wasserfall und ein kleines "Dorf" im Stil der nordtaiwanesischen Ureinwohner (Atayal). Außerdem konnte man mit der Seilbahn über den Wasserfall hinweg auf einen Berg hinauffahren, wo sich als weiterer Touristenmagnet eine Art Vergnügungspark befand. Allerdings waren an diesem Tag eher wenig Menschen unterwegs, was einerseits an der frühen Stunde gelegen haben mag und andererseits auf die Jahreszeit zurückzuführen ist. Aber wenigstens mussten wir uns nicht durch Menschenmassen zwängen, sondern konnten uns frei bewegen und in aller Ruhe alles anschauen. 
Zu guter Letzt sind wir in den Heißen Quellen baden gegangen. Zahlreiche Hotels und kleine Thermalbäder am Straßenrand luden dazu ein, doch wir entschieden uns für die etwas "traditionellere" Variante: Anstatt hohe Eintrittspreise für künstlich hergerichtete Bäder zu bezahlen, haben wir uns schlicht und einfach zu den ortsansässigen Taiwanesen unten am Fluss gesellt. Dort gab es steinerne Pools mit verschiedenen Temperaturen und eine Dampfsauna; zum Abkühlen diente der eisig kalte Gebirgswasserfluss. Die meisten Leute dort waren ältere Herrschaften, die sich förmlich darum rissen, uns zu erklären wie man richtig in den Heißen Quellen badet und die ganz aus dem Häuschen zu sein schienen, dass sich gleich fünf blonde Mädels auf einmal und eine Koreanerin zu ihnen "verirrt" hatten.  
Wie wir erfuhren, kann man sich nämlich nicht einfach irgendwo in einen Pool setzen. Nein, man muss eine Reihenfolge beachten! Erst abwaschen, dann warmer Pool, dann abkühlen, danach wieder warm und wieder abkühlen. Dabei allmählich die Temperatur steigern oder einfach regelmäßig zwischen heiß und kalt wechseln. 
Als ich mich einmal daran gewöhnt hatte, war es einfach traumhaft und der Fluss kam mir gar nicht mehr so kalt vor! Und Diese Form von Wechselbad ist nicht nur gut für Kreislauf und Herz, auch meine Haut war nachher viel weicher und fühlte sich reiner an.
Am Ende des Tages waren wir jedenfalls alle positiv erschöpft und zufrieden. Die Stadt hatte sich inzwischen mit Touristen gefüllt und wir waren heilfroh, dass wir so früh hergekommen waren und uns nach einem späten aber leckeren Mittagessen wieder auf den Heimweg machen konnten.


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