Samstag, 14. Februar 2015

Rund um Taiwan

Im Nachhinein ärgert es mich, dass ich nicht schon früher angefangen habe, ein bisschen in Taiwan herumzureisen, aus Taipeh herauszukommen und die wunderschönen Ecken dieses Landes zu entdecken. Denn diese sind so zahlreich, dass zehn mickrige Tage bei Weitem nicht ausreichen, sie alle zu erkunden. 
Nachdem ich aus Thailand zurückgekehrt war, habe ich verbleibenden zwei Tage im Wohnheim mit Kofferpacken verbracht. Mein Gepäck konnte ich glücklicherweise bei meinem Tandempartner lassen anstatt es auf meine Rundreise mitnehmen zu müssen. Sämtliche Auszugsformalitäten waren schnell erledigt und so ging es am Samstagmorgen zunächst mit dem Zug in Richtung Hualien, eine Provinz und Stadt an der Ostküste Taiwans, bekannt für den Taroko Nationalpark (den ich ja bereits im Oktober erkundet hatte) sowie Rivertracing und abenteuerliche Rafting-Touren. Leider machen derartige Aktivitäten im Winter wenig Sinn, weil es zu kalt und die Erkältungsgefahr daher groß ist. Alternativ kann man sich in einem der vielen Fahrradverleihgeschäfte einen Drahtesel mieten und damit sogar die komplette Küste entlang fahren, wenn man möchte (denn je nach Verleih kann das Fahrrad zum Beispiel in Hualien für einen oder mehr Tage ausgeliehen und im etwa 200 Kilometer südlich gelegenen Taitung zurückgegeben werden) Ursprünglich hatte ich das sogar teilweise vor, musste aber aus Zeitmangel leider meine Pläne ändern und bin stattdessen mit dem Zug nach Taitung gefahren, nachdem ich eine kleine, dreistündige und sehr schöne Erkundungstour vor Ort unternommen hatte.
Meine nächste Station führte mich nach Dulan, ein winziger Ort irgendwo nördlich auf halber Strecke zwischen Taitung und Chenggong. Mit dem Bus ging die rund vierzigminütige Fahrt - aufgrund der fortgeschrittenen Stunde im Dunkeln - nach irgendwo ins Nirgendwo. Jedenfalls fühlte es sich so an, denn an der auf der Website meines Hostels beschriebenen "Haltestelle" gab es ungefähr nichts. Eine Straße, Häuser und eine Handvoll Restaurants rechts und links. Auch mein Hostel war weit und breit nicht zu sehen, sodass ich die erste Nacht spontan woanders verbracht habe. In einem Hostel, dessen Besitzer nicht nur passionierter Surfer war (und man entsprechende Ausrüstung leihen konnte), sondern das nur 15 Gehminuten vom (schwarzsandigen!) Strand entfernt lag. Auf der anderen Seite, dem Meer gegenüber, befanden sich Berge. Ich war quasi unbemerkterweise in einem kleinen Paradies gelandet. In meinem Hostel stieß ich auf taiwanesische Studenten, die Ferienarbeit in Dulan machten. Sie luden mich auf eine siebenstündige Wanderung durch die mit Urwald bewachsenen Berge ein und am Abend veranstalteten wir ein gemütliches Lagerfeuer am Stand; einfach toll!
Ich wäre gern viel länger dort geblieben, aber schließlich hatte ich mit Kenting bereits ein weiteres Ziel vor Augen. Mit Bahn und Bus erreichte ich gegen Nachmittag die südlichste Spitze Taiwans, wo auch im Februar noch höchst angenehme Temperaturen um die 20°C herrschen. Weitläufige Sandstrände (an denen Szenen aus dem Film "Life of Pi" gedreht worden sind) laden zum Schwimmen und Sonnenbaden ein und von Schnorcheln über Wasserski bis hin zu Windsurfing werden diverse Wassersportarten angeboten. Auch hier kann natürlich wieder ein Fahrrad ausgeliehen werden und im Kenting Nationalpark sind Wanderungen möglich. Ein vielfältiges Angebot also, das ich in so kurzer Zeit bei Weitem nicht habe ausschöpfen können.
Nach zwei Tagen machte ich mich wieder auf den Weg Richtung Norden nach Kaohsiung und Tainan, diesmal per Anhalter und später mit dem Zug. Und ich erlebte den wohl verrücktesten Tag meiner gesamten Rundreise: Die Nacht war wenig geruhsam und viel zu kurz, bei einem Couchsurfing-Host, dessen Haus nicht nur zehn Kilometer weit von meinem eigentlichen Ziel entfernt lag sondern bei dem ich - glimpflich ausgedrückt - am liebsten gar nicht übernachtet hätte und mir die morgendliche Dusche dezent verkniffen habe...
Naja, wenigstens brachte er mich am nächsten Morgen zum Bahnhof. Dort suchte ich die Touristeninformation auf und ließ mich beraten. Man empfahl mir, zum Wasserreservoir aus japanischer Kolonialzeit zu fahren. Dort angekommen war ich drauf und dran, sofort wieder zurück zu fahren, weil das Gelände viel zu groß war um es zu Fuß erkunden zu können. Doch plötzlich sprach mich ein älterer Herr an, der mir erzählte er sei hier Tourguide und warte auf einen Bus voller Touristen und dass ich mich ihnen gern anschließen könne. So bekam ich nicht nur eine kostenlose Führung, sondern wurde später von den Reisenden (alles unglaublich knuffige ältere Damen und Herren) zum Essen eingeladen. Nach Ende der Tour bot mir unser Guide an, mich zum Museum für Geschichte Taiwans zu fahren, wo er früher gearbeitet hatte und mir somit eine kostenlose Eintrittskarte beschaffen sowie eine weitere Führung geben konnte. Alles natürlich auf Chinesisch und ich war erstaunt wie viel ich tatsächlich verstanden habe! Nach dem Museumsbesuch war es nur dummerweise zu spät, um meinen ursprünglichen Plan durchzuziehen und noch nach Lukang weiterzufahren.
Ohne einen Ort, an dem ich die Nacht verbringen konnte wurde mir mulmig und Verzweiflung machte sich breit. Ich wollte ir schon Vorwürfe machen, dass ich mit einem wildfremden Menschen einfach mitgefahren war, als sich ebendieser als Schutzengel erwies. Denn er organisierte mir kurzerhand eine Übernachtungsmöglichkeit in Tainan. Wieder kostenfrei und geleitet von zwei Kunststudentinnen, die mich abends zum Essen einluden und mir einen der größten Nachtmärkte Tainans zeigten. Ein ganz wunderbarer Tag, der trotz aller Zweifel, Planlosigkeit und zeitweisen Anflügen von Panik doch noch gut ausgegangen ist. Und er hat mich gelehrt, dass man nicht immer einen hundertprozentigen Plan für alles braucht. Dass man sich auch mal treiben lassen kann und sich die Dinge schon irgendwie ergeben, wenn man es nur zulässt, sich helfen zu lassen anstattn dickköpfig fixiert genau das durchziehen zu wollen, was man sich vorgenommen hatte. Natürlich muss ich das nicht jeden Tag haben, aber es war doch eine recht lehrreiche Erfahrung für mich!
Am nächsten Morgen machte ich mich in aller Ruhe auf den Weg zum Bahnhof, von wo aus ich, wie bereits erwähnt, nach Lukang aufbrach. Dort hatte mein Auslandssemester begonnen und ich wollte vor meiner Rückreise noch einmal bei meiner Freundin Shompoo und ihrer Familie vorbeischauen. Alles war wie ich es in Erinnerung hatte: Omma quasselte mir immer noch fröhlich einen Knopf an die Backe, völlig unbeeindruckt von der Tatsache, dass ich ihren taiwanesischen Dialekt leider immer noch nicht sprechen oder verstehen konnte. Sie beschenkte mich außerdem mit Essen und allerlei Kleinigkeiten, die ich mit nach Deutschland nehmen sollte. Wir besuchten einen Blumenmarkt, spazierten durch die hübschen, engen Gassen der Altstadt und im Nu war es auch schon wieder Zeit für mich, nach Taipeh zurückzukehren.
Dort habe ich die letzte Nacht in der Wohnung meines Tandempartners verbracht, der mich zu meinem - ich zitiere seine Wortwahl - "letzten Abendmahl" zu Schweineohren und Innereien einlud und am nächsten Morgen extra früh mit mir zusammen aufstand, um mich zur Metro zu begleiten. Denn vor meiner endgültigen Rückkehr nach Deutschland sollte mich die Reise schließlich noch nach Hong Kong führen. 

1 Kommentar:

  1. Taiwan ist auf jeden Fall eine Reise wert! Ich habe während meiner Zeit dort leider auch viel zu spät damit angefangen, herumzureisen. Obwohl die Insel so klein ist, gibt es doch so viel zu entdecken!
    http://auslandssemestertw.blogspot.de

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