Montag, 8. September 2014

Mondfestival

Ich muss sagen, ich bin ein bisschen enttäuscht vom heutigen Tag. Heute ist nämlich eigentlich ein Feiertag hier in Taiwan, das sogenannte Mondfestival 中秋節. Das ist immer Mitte Herbst, genau an dem Tag, an dem "der Mond am rundesten ist". Traditionell kommt an diesem Fest die ganze Familie zusammen, um zu essen und zu feiern. Man verschenkt Mondkuchen mit süßen oder deftigen Füllungen und Feuerwerk gibt es auch. So wird es jedenfalls immer beschrieben und im Chinesischunterricht haben wir Ähnliches darüber gehört. Entsprechend hatte ich erwartet, dass wir heute etwas ganz besonderes unternehmen werden würden. Dass am Abend noch mehr Familie zum Essen kommt als ohnehin jeden Tag. Dass wir Feuerwerk anzünden würden und dass es einige spezielle Gebräuche und Sitten geben würde, von denen man in der Literatur normalerweise nicht liest. Oder dass wir auch in einen Tempel gehen würden anlässlich des Mondfestes. Und die Stimmung hatte ich mir ähnlich chaotisch, laut und fröhlich vorgestellt wie bei uns in der Familie an Weihnachten.
Stattdessen ist nichts von alledem passiert. Mit der Ausnahme, dass draußen schon seit gestern fast ununterbrochen Feuerwerkskörper hochgehen, war dies für mich ein Tag wie jeder andere. Ich bin morgens ganz normal aufgestanden und nach dem Frühstück sind wir nach Taizhong in eine Shopping-Mall gefahren. Zwar inklusive Familienvater, der sonst nicht dabei ist, weil er immer arbeiten muss, aber trotzdem war der Ausflug nichts Besonderes fand ich. Zurück daheim sind wir abends wie gewöhnlich zu Amaa zum Abendessen gefahren. Auch hier keine Außergewöhnlichkeiten, sondern dasselbe sympathische Chaos wie die ganze letzte Woche über und genauso leckeres Essen wie immer. Auch Feuerwerk gab's nicht. Und um halb acht waren wir schon wieder zuhause.
Inzwischen kam mir das alles dann doch etwas merkwürdig vor und ich hab mal gefragt, ob wir denn gar nichts Besonderes unternehmen würden und hab erzählt, was ich eigentlich über das Mondfest gehört und gelesen hatte, dass wir aber eigentlich kaum etwas davon wirklich gemacht haben. Die Antwort auf meine Frage war recht einfach und nachvollziehbar, gleichzeitig aber auch traurig. 
Der Grund dafür, dass die Familie am Mondfestival dieses Jahr nicht so extrem viel gefeiert hat war schlicht und einfach, dass der Opa vor etwa einem halben Jahr verstorben ist. Entsprechend war verständlicherweise die Stimmung heute eher gedämpft.

So, nach diesem etwas traurigen Einstieg komme ich jetzt zum Positiven des heutigen und gestrigen Tages: Ich habe ein vorzeitiges Geburtstagsgeschenk bekommen, ein blaues kuscheliges Kissen mit Löchern zum Händereinstecken ^_^ !!! Total niedlich und völlig unerwartet. Ich war nämlich beim Kauf heute Nachmittag anwesend und meine Schwester hat eiskalt behauptet, sie würde das für sich selbst kaufen. Und zwar sehr überzeugend! Umso mehr hab ich mich natürlich über das Kissen gefreut, das gleichzeitig auch eine Art Abschiedsgeschenk war, weil ich ja morgen nach Taipeh fahren werde... Ich bin noch nicht sicher, ob ich mich freuen soll oder nicht, weil ich gerade angefangen habe, mich in der Familie einzuleben. Womit ich auch schon bei gestern angekommen wäre. Da haben wir nämlich nachmittags zusammen chinesische Maultaschen gemacht. Außerdem hab ich Kaiserschmarrn zum Nachtisch gemacht und der Einfachheit halber als "typisch deutsch" verkauft. Stimmt zwar nicht ganz, aber geschmeckt hat es trotzdem. Der Teig war ein einziges Chaos, weil ich unter Anderem alles von Hand schlagen musste, sprich: Eischnee mit Schneebesen - ganz klasse. Außerdem hab ich Cranberries und Blaubeeren statt Rumrosinen reingetan und Puderzucker haben wir erst im fünften Laden bekommen! Aber es hat geschmeckt. Mir die selbstgemachten Maultaschen und dem Rest der Kaiserschmarrn. Mit Stäbchen wohlgemerkt! Omma wollte wohl nicht offiziell zugeben, dass ihr meine Kochkünste zugesagt haben. Heimlich, still und leise hat sie dann aber doch ganze drei Schüsseln verdrückt :D 
Und als wir mit essen fertig waren, hab ich zwei von meinen zahllosen Cousinen (?) Zöpfe flechten beigebracht. Die waren total begeistert, weil sie mit meinen Haaren spielen durften. Und ich hab mich gefreut, dass sie keine Angst mehr haben, mit mir zu sprechen. Schade nur, dass heute mein letzter Tag hier war.
Insgesamt denke ich, dass ich die Familie hier schon ein bisschen vermissen werde, wenn ich in Taipeh bin. Zumal ich da ja keinen kenne und ich gerade angefangen habe, mich hier einzuleben. 
Naja, Taipeh und Uni wird bestimmt auch toll und ich werde mit Sicherheit viele nette Leuten kennenlernen. Außerdem bin ich hier ja jederzeit willkommen hat man mir versichert. Und ich werde ganz bestimmt schon bald auf dieses Angebot zurückkommen! 
Erstmal muss ich jetzt jedoch im Studium ankommen und in den Uni-Alltag zurückfinden. Ich hoffe, dass ich das alles relativ komplikationsfrei und möglichst schnell hinter mich bringen kann... mal abwarten.

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